Die Gleitcreme liegt bereit. Gleich neben dem schwarzen übergroßen Joystick in Form eines Penisses. Über mehrere Bildschirme flackern Nachrichtenfetzen. Die Weltpolitik von Kim Jong-un und Donald Trump als Schwanzvergleich. Ein Masturbations-Stück in fünf Akten. Am Ende steht die Atomexplosion. Eine (künstlerisch-energetische) Entladung, die man jedoch nur allzu leicht übersieht. Zu finden ist die Installation „Fake News“ der Gruppe „Neon Golden“ (Mehmet Guen, Stefan Kainbacher und Corinna Loesch) hinter einem schwarzen Vorhang. Nur ein Spalt wurde freigelassen. Wer sich traut, kann eintreten – in einen der unzähligen ehemaligen Büroräume, die in dem leerstehenden einstigen Bankgebäude in der Lassallestraße noch bis 30. September mit schier unzähligen Kunstwerken befüllt werden.
Renommierte Galerien wie Hilger oder Elisabeth und Thomas Thoman (wunderschön, die Rauminstallation von Peter Sandbichler) finden sich hier ebenso wie Newcomer (etwa die neu gegründete Galerie VENT), etablierte Künstler (von Hermann Nitsch bis Brigitte Kowanz) treffen auf aufstrebende Nachwuchstalente – darunter einen Blick wert: Marianne Stalhös, Eugen Wist, Silin Liu (vertreten von der Galerie Ostlicht) – bei der alternativen Kunstmesse „Parallel Vienna“ will man nicht zuletzt (heimisches) Potenzial ausschöpfen. Mit zwei Akademien sei dieses in Wien zwar reichlich vorhanden, aber von gerechter Verteilung sei nicht die Rede. Die Messe verstehe sich „als Demonstration des Potenzials, das brach liegt“, so der künstlerische Leiter und Mit-Begründer der Messe, Stefan Bidner bei der Präsentation der diesjährigen sechsten Ausgabe. Eine Ausgabe, die mit der aufblasbaren Skulptur „Karl Marx Light“ von Hannes Langeder auf dem Vordach, auch dazu einlädt über die Verteilung von Kapital nachzudenken. Kunst sieht Bidner als Zutat für eine funktionierende demokratische Gesellschaft.
Hinter jeder Tür etwas Neues
Trotz des laborartigen Charakters, der der Parallel zu eigen ist, darf nicht vergessen werden, dass man eine Messe besucht. Es darf also nicht nur von Raum zu Raum gewandert und entdeckt werden. Auch Kaufen ist erwünscht. Zum Beispiel die während der Messe angefertigten Drucke von Werken namhafter Künstlerinnen wie Eva Schlegel und Deborah Sengl in der Pop-up-Druckwerkstatt Zein. Oder die diversen Fotografien von Gabriela Morawetz, Regina Anzenberger, Heather F. Wetzel und Stella Bach, die unter dem Label „handmade“ in der Galerie Anzenberger vermarktet werden.
Mit VALIE EXPORT, Bruno Gironcoli, Alfred Hrdlicka, Arnulf Rainer, Franz West, Erwin Wurm u.v.m., die in der Rubik „Parallel Masters“ quasi als Vorbilder ihre Arme zu den Werken nachfolgender Generationen strecken, will man einen Überblick über das Who is Who der heimischen Kunstszene liefern. In der Rubrik „Artist Statement“ finden sich Werke junger Künstlerinnen und Künstler, die von den Kuratoren Daniel Haider und Antje Priske eingeladen wurden. Viele von ihnen – darunter beispielsweise Marit Wolters, die sich nach Besichtigung des ihr zugewiesenen Raumes dafür entschied den doppelten Boden mittels einer Kanaldeckelkonstruktion sichtbar zu machen, oder Laurent Ajina, dessen Arbeit direkt auf die Wand vor Ort aufgetragen wurde – haben für die Parallel Arbeiten auf die jeweiligen Räume abgestimmt.
Die Palette der anzutreffenden Arbeitstechniken reicht von Malerei über Skulptur und Fotografie bis hin zu Video und Multimedia-Installationen. Was einem hinter der nächsten Tür erwartet, weiß man erst sobald man die Schwelle überschritten hat. Ein bisschen gleicht ein Rundgang dem Öffnen eines Adventkalenders. In jedem Zimmer wartet eine „Überraschung“. Und wer will, kann sich beim Project Statement von „LLLLLL“ sogar tätowieren lassen. Kunst als Erlebnis. Schön!
Von Tür zu Tür – zum virtuellen Rundgang mit Wisocast:
Parallel Vienna
25. bis 30. September 2018
Lassallestraße 1
1020 Vienna
Eintritt: 7 Euro
http://parallelvienna.com/
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